USA: Mutter sah Kinder erst nach Monaten bei der Abschiebung wieder
Wie beängstigend muss es für Kinder sein, plötzlich von den Eltern getrennt zu werden? Was machen die Eltern dabei durch? In den letzten Wochen und Monaten wurden zahlreiche Kinder, deren Eltern als illegale Migranten in die USA gekommen waren, von ihren Eltern getrennt.
Im Juni hat unser Kollege Christopher Tidey in Guatemala mit einer der betroffenen Familien gesprochen - und darüber, wie ihr Traum von einer sicheren und glücklichen Zukunft schlagartig endete.
Mary und ihre Kinder lebten seit fast acht Jahren in den USA. Doch am 16. August letzten Jahres änderte sich alles. An diesem Tag klopften Beamte der Einwanderungsbehörde und der Polizei an die Tür der Wohnung in Brownsville, Texas, in der Mary mit ihrer zwölfjährigen Tochter Sami und ihrem zehnjährigen Sohn Jason* wohnte.
„Dieser Tag war einfach nur schrecklich“, erzählt Mary. „Es tut weh, daran zu denken“.
Als sie die Tür öffnete und den Beamten auf Anfrage ihre Sozialversicherungsnummer nicht vorweisen konnte, fragten sie, ob sie sich illegal in den USA aufhalte. Mary antwortete nicht.
„Also legten sie mir Handschellen an und führten mich zu einem Auto. Sie schrien die ganze Zeit auf mich ein. Dann holten sie Jason und Sami. Das war das Schlimmste. Jason war aufgewacht und suchte mich. Aber sie setzten ihn und Sami in ein anderes Auto.“
Mary, Sami und Jason wurden zur Polizeistation gebracht. Dann ging alles ganz schnell: Mary wurde in eine Haftanstalt gebracht, ihre Kinder in eine Einrichtung für unbegleitete Minderjährige. Weder Mary wusste, wo ihre Kinder waren, noch wussten Sami und Jason, wohin ihre Mutter gebracht wurde - eine traumatische Erfahrung, die keine Mutter und kein Kind je erleben sollte.
Auf der Suche nach einer glücklicheren Zukunft
Mary war die Entscheidung, ihre Heimat Guatemala zu verlassen, damals sehr schwer gefallen, doch sie hatte keine Wahl.
Als alleinerziehende Mutter zweier Kinder kam sie kaum über die Runden. „Ich erfuhr damals häusliche Gewalt und konnte meinen Kindern keine Zukunft ermöglichen“, erzählt Mary.
Als sie auch noch ihre Wohnung verlor, machte sich Mary schweren Herzens auf den Weg in die USA und ließ ihre Kinder vorrübergehend bei ihrer Mutter zurück. Ihre Schwester hatte ihr erzählt, dass Mary in den Vereinigten Staaten eine Arbeit finden und die Kinder dann nachholen könnte.
Marys Reise dauerte viele Tage und war sehr gefährlich. Irgendwann schaffte sie es, in der Dunkelheit über den Grenzfluss Rio Grande zu gelangen. In einer Restaurantküche in Brownsville fand sie kurze Zeit später einen Job. Zwei Jahre später holte sie ihre Kinder nach. Seitdem lebten Sami und Jason in Brownsville. Mary wurde zur Managerin der Restaurantküche befördert. Die Familie hatte ein Zuhause, die Kinder gingen zur Schule und hatten viele Freunde - Guatemala hingegen war für sie nur eine ferne Erinnerung.
Kinder fühlten sich im Stich gelassen
Das änderte sich schlagartig, als Mary wegen illegaler Migration verhaftet wurde. Nach der Trennung hörten Mary und ihre Kinder für zwei lange Monate nichts voneinander. „Ich wusste nicht, wo sie sind und wie es ihnen geht“, erzählt Mary mit gebrochener Stimme. Die Kinder dachten, ihre Mutter hätte sie im Stich gelassen.
Letzten Oktober erfuhr Mary schließlich, dass eine katholische Einrichtung ihre Kinder betreute. Einmal pro Woche durfte sie von da an mit ihnen sprechen. „Das erste Gespräch war besonders schwer: Jason hörte nicht auf zu weinen. Er fragte: ‚ist der Ort, an dem du bist, so schön, dass du uns dort nicht bei dir haben möchtest‘?“
Irgendwann informierten die Beamten Mary, dass sie und ihre Kinder nach Guatemala abgeschoben werden würden. Doch es dauerte noch sieben weitere lange Monate, bis Mary endlich ihre Kinder wiedersehen konnte. Erst im Flugzeug, das sie zurück nach Guatemala brachte, sahen sie sich wieder.
„Die Kinder sahen schlecht aus, sie waren völlig aufgelöst. Sami fing an zu weinen und sagte: ‚endlich sind wir wieder beisammen. Ich werde bei dir bleiben, egal wohin du gehst‘. Jason war deprimiert. Er sagte, dass ich ihn nie wieder verlassen dürfe. Ich hatte unglaubliche Angst: Wo sollten wir hin, wo sollten wir leben? Uns wurden alle Zukunftspläne geraubt.“
Ein Neuanfang?
Für Mary war der Neuanfang in Guatemala sehr schwer.
Heute leben Mary und ihre Kinder in einer Stadt in der südlichen Gebirgsregion des Landes. Die Gegend ist gefährlich und Mary sorgt sich um die Sicherheit ihrer Kinder. „Hier gibt es viele kriminelle Banden. Wenn sie herausfinden, dass wir aus den USA kommen, werden sie denken, wir hätten Geld.“
UNICEF unterstützt Mary, Sami und Jason über eine lokale Organisation mit psychosozialen Programmen, um ihnen Halt zu geben und ihnen zu helfen, ihre Erlebnisse zu verarbeiten.
*Die Namen der Familie wurden geändert
Serie: „Kinderrechte sind grenzenlos”
Flüchtlinge? Asylbewerber? Migranten? Falsche Frage!
Jedes Kind ist in erster Linie ein Kind, ganz gleich woher es kommt und wo es sich aufhält. Wir setzen uns dafür ein, dass die Mädchen und Jungen über Grenzen hinweg geschützt und gefördert werden – an ihrem Herkunftsort, im Transitland und in einer möglicherweise neuen Heimat. Denn Kinderrechte sind grenzenlos!
Lesen sie mehr dazu in unser Blog-Serie „Kinderrechte sind grenzenlos”.