Fotoreportagen

Gemeinsam gegen schlechte Ernährung


von Gastautor Beate Jung

Die Arbeit von Hebammen und Müttergruppen in der armen Teeregion

In Sri Lanka werden wahrscheinlich alle international festgelegten Millenniumsentwicklungsziele bis 2015 erreicht werden – außer den Vorgaben für Ernährungsindikatoren! Vor allem die Armut der Familien, die in der Teeregion im Hochland in der Mitte Sri Lankas arbeiten, ist hierfür die Ursache.

Sri Lanka Frauengruppe

Ich werde herzlich willkommen geheißen bei einem Treffen einer Müttergruppe in Sujatha Diriya.

© UNICEF DT 2015

Gute Ausbildung für Hebammen

Die Familien sind teils Singhalesen, teils Tamilen, haben häufig überdurchschnittlich viele Kinder, leben oft in sehr alten und ärmlichen Behausungen und sind zudem häufig unterernährt. Infolgedessen liegt auch das Geburtsgewicht der Säuglinge und das Gewicht der Kleinkinder auffällig unter den erwünschten Werten. Ein zu geringes Geburtsgewicht wirkt sich auf die komplette Entwicklung des Kindes aus. Und eine gesunde Entwicklung beginnt bereits vor der Empfängnis, daher muss bereits bei den Müttern angesetzt werden.

Die Regierung von Sri Lanka arbeitet dreigleisig gegen dieses Problem an: es gibt direkte Nahrungsmittelprogramme für besonders betroffene Familien sowie ein staatliches Armutsbekämpfungsprogramm. Und es wird viel investiert in die Ausbildung von Hebammen, die vor Ort in den Gemeinden die Frauen und Mütter zu Ernährungs- und Gesundheitsthemen schulen. UNICEF unterstützt diesen systematischen Ansatz, das Ausmaß, die Qualität und die Gerechtigkeit der Maßnahmen auszubauen und fördert die Aufklärung und Eigenbeteiligung der betroffenen Bevölkerung durch qualifizierter Hebammen oder Public Health Midwives.

Gestatten: Mrs. Nandawathe, Public Health Midwife

Sri Lanka Hebamme

Gestatten: Mrs. Nandawathe, Public Health Midwife. Sie ist Hebamme in dem kleinen Dorf Sujatha Diriya bei Kothmale in der Teeregion.

© UNICEF DT/2015

Zusammen mit meinem Kollegen Sugath von UNICEF Sri Lanka besuche ich eine dieser Hebammen zunächst in ihrer Praxis im kleinen Dorf Sujatha Diriya bei Kothmale in der Teeregion gelegen. Mit blütenweißem Kittel und freundlichem Lächeln begrüßt Mrs. Nandawathe uns gemeinsam mit einer freiwilligen Helferin und führt uns zunächst durch die beiden Räume ihrer kleinen Klinik. Alles blitzt vor Sauberkeit, sie erklärt mir die Geräte und ich entdecke eine Kiste mit UNICEF-Aufdruck unter einem Tisch. „Spielzeug“, erklärt sie strahlend, „denn die Mütter bringen ihre Kinder zu den Treffen mit.“ Ich bitte sie, mir über ihre Arbeit zu berichten.

Im Jahr 2013 sei sie in diese Region gekommen und habe gleich eine „Mother Support Group“ - eine Müttergruppe gegründet. Diese trifft sich seitdem zweimal pro Monat, davon einmal bei ihr in der Klinik. Denn schon auf den ersten Blick sei viel zu tun gewesen. Neben der Begleitung von ca. 30 schwangeren Frauen pro Jahre ist ihre Hauptaufgabe, so berichtet sie energiegeladen, die vorhandenen Verhaltensweisen und Gepflogenheiten im Hinblick auf Ernährung und Alkoholmissbrauch, der ebenfalls ein großes Thema sei, dauerhaft zu verändern. Es sei Teil der Strategie, dass dies über Clubs geschehe und in dörflichen Gemeinschaftsstrukturen, zu denen jeder etwas beitragen könne. Denn so würden die Familien lernen, in ihrem täglichen Leben bessere Entscheidungen zu treffen, gesünder zu leben, sich mehr körperlich zu betätigen, bei den richtigen Adressen um Rat zu suchen, sich gegen häusliche Gewalt zu wehren, usw. Gemeinsam mit den Frauen habe sie es zum Beispiel schon geschafft, mehreren Ehemännern das Trinken abzugewöhnen und ihnen auch ganz klar gemacht, dass sie ihre Frauen nicht schlagen dürfen. Mittlerweile habe jede Frau ihre Handynummer und könnte sie in Notfallsituationen anrufen, dann würde sie die Männer schon zur Raison bringen, das sei mittlerweile bekannt, sagt sie mit blitzenden Augen und einer Entschlossenheit, die keinen Zweifel aufkommen lässt! Begleitend zu dieser Arbeit wirkt sie an einer Studie im Auftrag des Gesundheitsministeriums mit, um Faktoren wie Bildung, Einkommen, Ernährungsstandard, Gewicht der Mütter und der Kinder, etc. in ihrem Distrikt zu erfassen.

Die Mother Support Group von Sujatha Diriya

Mrs. Nandawathe bringt uns nach dieser Einführung zu den Frauen in der Plantage. Wieder einmal werde ich sehr herzlich und mit Blumen empfangen, alle sind gekommen und haben ihre Kleinkinder mitgebracht. Auch ein paar Männer wollen den Besuch nicht verpassen.

Sri Lanka Dorf Teeregion

Freundliche Begrüßung mit Blumen bei den Frauen aus dem Dorf.

© UNICEF DT/2015

Es sieht hier allerdings viel ordentlicher aus als in manch anderen Dörfern und Teeländereien, die ich auf dem Weg schon sehen konnte. Das fällt mir sofort auf. Die Frauen erzählen mir, dass sie sich regelmäßig treffen und über ihre Probleme sprechen. Vor allem wollen sie schwangere Frauen über gesunde Ernährung aufklären. Dafür kochen sie extra für sie und laden sie zum Essen ein. Das passiert entweder im Rahmen eines Gruppentreffens oder auch indem sie sie zu sich nach Hause einladen und mit ihnen gemeinsam kochen. Dabei erklären sie auch viel über Hygiene und Gesundheitsthemen und darüber, wie wichtig körperliche Bewegung sei. Bestens geeignet sei dafür ein Nutzgarten, dann hätte man gesundes Essen und Bewegung zugleich, sagt eine der Frauen lachend und greift sich an die Hüfte. Sie hätte selbst sehr gut dadurch abgenommen. Sie erklären den jüngeren Frauen auch, wie man Haushaltsbuch führt. Die Hebamme ergänzt stolz, dass sie selbst nicht mehr viel aufklären müsse, das machten die Frauen mittlerweile untereinander, darauf könne sie sich verlassen – es sei „peer education“ im besten Sinne.

Dammika, 32, erwartet ihr erstes Baby

Ich möchte mit einer der beiden anwesenden Schwangeren sprechen und sie fragen, was sich für sie durch den Mother Support Club geändert hat. Bereitwillig setzt sich Dammika, 32 Jahre alt und im 8. Monat schwanger, zu mir und Sugath. Auch ihr Ehemann Sisira Kumana ist dabei. Sugath übersetzt, denn beide sprechen nicht sehr viel Englisch.

Sri Lanka Teeplantage

Dammika, 32, erwartet ihr erstes Baby. Sie hat von der Gruppe viel gelernt.

© UNICEF DT/2015

Jeden Monat geht sie zu einem Treffen, berichtet Dammika. Sie hält heute ihren Haushalt besser im Schuss als früher. Von den Frauen in der Gruppe habe sie gelernt, wie sie gesund und gut kocht. Und sie habe mit ihrer Schwiegermutter zusammen einen Nutzgarten angelegt, aus dem sie sich und ihren Mann gesund ernährt. Was sie selbst nicht brauchen, kann sie verkaufen und verdient dadurch eigenes Geld. Das, so sagt sie strahlend, sei ein gutes Gefühl, sie hat in 3 Monaten schon 16.000 Rupien (etwas mehr als 100 Euro) erwirtschaftet und davon Babykleidung gekauft und etwas zurückgelegt für die Fahrt zur Entbindung im Krankenhaus. Außerdem weiß sie heute mehr über Hygiene und hält ihre Toilette viel sauberer, hält ein extra Paar Slippers für den Gang dorthin bereit. Immer mehr fällt ihr beim Erzählen ein: heute werde der Müll getrennt und sie hätten im Garten einen Kompost angelegt!

Von all dem kann ich mich bei einem Rundgang über einige Grundstücke überzeugen, bei dem mich Dammikas Schwiegermutter führt. Stolz zeigt sie den Garten, das kleine Haus, die saubere Toilette und die Mülltrennung.

Sri Lanka Garten

Bild 1 von 4 | Stolz zeigt mir Dammikas Schwiegermutter den Garten.

© UNICEF DT/2015
Sri Lanka Nutzgarten

Bild 2 von 4 | Durch den Nutzgarten kann sich die Familie gut selbst versorgen.

© UNICEF DT/2015
Sri Lanka Hygiene Toilette

Bild 3 von 4 | Hygiene und saubere Toiletten sind ein sehr wichtiges Thema. Ein extra Paar Slippers steht für den Gang dorthin bereit.

© UNICEF DT/2015
Sri Lanka Mülltrennung

Bild 4 von 4 | Heute trennt die Familie den Müll und im Garten wurde ein Kompost angelegt.

© UNICEF DT/2015

Gesunde Gastfreundschaft

Zum Abschluss unseres Besuchs werde ich in einem weiteren Haus mit großer Herzlichkeit empfangen und darf an einem Clubtreffen teilnehmen, bei dem alle 32 Mitglieder anwesend zu sein scheinen.

Sri Lanka

Die Frauen haben ein üppiges Buffet zusammengetragen. Es schmeckt fantastisch!

© UNICEF DT/2015

Am Ende wollen mir die Frauen natürlich zeigen, was unter gesunder Ernährung zu verstehen ist. Sie haben ein üppiges Buffet zusammengetragen und wir werden mit lauter leckeren Sachen verköstigt. Es schmeckt fantastisch! Meine gesunde Ernährung ist an diesem Tage auf jeden Fall sicher gestellt. Die Fröhlichkeit, den Pragmatismus und die ansteckende Energie der Frauen von Kothmale nehme ich dankbar mit.

Lesen Sie alle Blogbeiträge unserer Kollegin Beate Jung aus Sri Lanka.

Beate Jung, UNICEF Deutschland
Autor*in Beate Jung

Beate Jung ist Mitarbeiterin bei UNICEF Deutschland und berichtet von der Arbeit im UNICEF Country Office in Sri Lanka.