UNICEF-Foto des Jahres 2019: Bewegendes Bild
Das Kindermagazin GEOlino stellt in jeder Ausgabe ein UNICEF-Projekt vor. In Heft 4/2020 erschien ein Bericht über Hartmut Schwarzbuch, der das Mädchen Wenie begleitete und berichtet, wie sein Bild zum UNICEF-"Foto des Jahres 2019" wurde.
Die 13-jährige Wenie sammelte Müll in einem Slum der philippinschen Hauptstadt Manila. Dabei hat der Fotograf Hartmut Schwarzbach sie fotografiert und mit dem Bild den UNICEF-Preis »Foto des Jahres 2019« gewonnen. Hier erzählt er, wie es Wenie heute geht.
GEOlino: Bitte erzählen Sie uns, wie das Foto entstanden ist.
Hartmut Schwarzbach: Seit 1984 reise ich regelmäßig nach Manila, genauer in den Stadtteil Tondo mit dem größten Slum auf den Philippinen. Er ist die Müllhalde der Stadt. Dicht gedrängt wie sonst nirgends auf der Welt leben hier in Wellblechhütten bis zu 70 000 Menschen auf dem Quadratkilometer, die Ärmsten der Armen. Damit die Familien über die Runden kommen, arbeiten auch die Kinder – obwohl das auf den Philippinen verboten ist. Sie sammeln Müll aus dem Meer. Um das zu fotografieren, habe ich ein Boot gemietet. So sind nicht nur die damals 13-jährige Wenie und die anderen Kinder zu sehen, sondern auch die Hütten im Hintergrund.
Was verdienen die Kinder mit ihrer Arbeit?
Sehr wenig. Wenie und ihr Freund Jeff haben zusammen an einem Tag meist etwa fünf Kilogramm Plastikmüll gesammelt. Dafür bekamen sie zusammen 50 Pesos. Umgerechnet in Lebensmittel entspricht das in Tondo einem Kilogramm Reis. Leider ist das Müllsammeln im Wasser gefährlich – wie das ganze Leben hier.
Erklären Sie das, bitte.
Das Wasser ist nicht sauber. Leicht fangen sich die Kinder Keime ein, werden davon krank und sterben nicht selten daran. Dazu riskieren sie, sich an scharfkantigen Teilen zu verletzen. Aber wie gesagt, auch an Land ist es nicht sicher. Die Enge und die mangelnde Hygiene begünstigen Krankheiten wie Durchfall, das oft lebensbedrohliche Denguefieber oder eine Leptospirose, eine durch Bakterien hervorgerufene schwere Infektion. Zum Glück ist Wenie jetzt in Sicherheit.
Wie kam es dazu?
Zwei Monate, nachdem ich die Fotos gemacht habe, starb Wenies Freundin Erica. Sie ist auch auf einigen meiner Fotos zu sehen. Erica lebte auf der Straße, ihre Eltern kümmerten sich nicht um sie. Die Zwölfjährige war mit Kindern unterwegs, die die Droge Rugby nehmen. Die atmet man aus Plastiktüten ein, das unterdrückt das Hungergefühl. Vermutlich ist Erica aber an einer Lebensmittelvergiftung gestorben, genau weiß man das nicht. Jedenfalls wollte Wenies Mutter um jeden Preis verhindern, dass so etwas auch Wenie oder ihren drei Geschwistern zustößt. Deshalb sind sie aufs Land gezogen, fünf Autostunden von Manila entfernt. Vom Vater lebt die Familie getrennt.
Wie geht es Wenie jetzt?
Eigentlich sehr gut. Sie muss keinen Müll mehr sammeln, keine Wasserkanister mehr für die Familie schleppen und schwebt nicht mehr in der ständigen Gefahr, Opfer von Gewalt zu werden. Ihr neues Häuschen liegt in der Natur, umgeben von Reisfeldern. Auch darf Wenie bei einem Förderprojekt zur Wiedereinschulung teilnehmen. Leider findet der Unterricht dafür nur einmal in der Woche statt. Daher langweilt sich Wenie zur Zeit ziemlich. Doch sobald sie die Prüfung bestanden hat, kann sie eine weiterführende Schule besuchen und irgendwann einen Beruf ergreifen, der ihr ein besseres Leben ermöglicht.