© Stadt KölnKöln wird zur "Kinderfreundlichen Kommune": Plakatwerbung
Meinung

Kinderfreundliches Köln


von Dr. Sebastian Sedlmayr

Gedanken zur Vergabe des Siegels „Kinderfreundliche Kommunen“

Wenn ich mit dem Rad zu meinem Arbeitsplatz im Kölner Süden fahre, sehe ich in aller Regel auf der Strecke kein einziges Kind. Es sei denn, ich passiere just kurz vor Unterrichtsbeginn eine Schule. Viele der Jüngsten steigen dann aus den Autos ihrer Mütter oder Väter und rennen auf den Schulhof. Immer weniger Eltern lassen ihre Kinder zu Fuß zur Schule gehen.

Kinder haben keine Knautschzone

Angesichts riskanter Kreuzungen, ungepflegter, enger Radwege und der fehlenden Knautschzone beim möglichen Zusammenstoß mit PKWs oder LKWs oder PKWs mit dem Gewicht eines LKWs (SUVs) sind die Sorgen der Eltern ja auch zu verstehen. Sie wollen nicht, dass ihr Kind im Straßenverkehr umkommt. Deshalb gurten sie es fest in ihren eigenen PKWs oder SUVs. Dass das Kind dadurch zu wenig Bewegung hat und die körperliche, soziale und kognitive Entwicklung leidet, wenn der tägliche Schulweg nicht selbständig bestritten wird, steht hintenan. Ebenso, dass die Autos der Eltern die Straßen für die zu Fuß gehenden Kinder unsicherer machen.

Das Elterntaxi zur Schule ist einer von vielen Trends in deutschen Großstädten, die Kinder aus dem öffentlichen Raum drängen. Ihr Terrain ist der Schulhof, der Sportplatz, die Musikschule, der eigene Garten, und spätestens ab der 5. Klasse die WhatsApp-Gruppe.

Kindentwöhnte Städte

Bei neuen Baumaßnahmen werden zwar meist die Vorschriften eingehalten, aber was nützt es den Kindern? Spielplätze werden quadratmetergenau dem teuren Wohnraum abgetrotzt und vorschriftsmäßig entlang der baulichen Richtlinien angelegt, die dem Kindeswohl dienen sollen, bleiben aber in vielen Fällen ungenutzte Flächen, auf denen einsame Spielgeräte vor sich hinwippen. Wenn Spielplätze nicht angenommen werden, liegt das oft daran, dass niemand die Kinder gefragt hat, ob sie hier und mit diesen Geräten eigentlich spielen wollen.

Die zunehmende Abwesenheit von Kindern im öffentlichen Raum ist für mich einer der deutlichsten Hinweise auf eine mehr und mehr kindentwöhnte Gesellschaft. Aber wie sehen das eigentlich die Kinder selbst? Fragt die auch mal jemand?

Köln wird zur "Kinderfreundlichen Kommune": Plakatwerbung

Mit einem Kinder- und Jugendbüro will Köln seiner Auszeichnung als Kinderfreundlichen Kommune gerecht werden - die erste Plakatwerbung gibt es schon.

© Stadt Köln

In Köln soll sich nun am Umgang mit Kindern etwas ändern. Die Interessen von Kindern sollen vorrangig berücksichtigt werden – so wie es die UN-Kinderrechtskonvention von 1989 vorschreibt. Kinder sollen zu Wort kommen und sie sollen ihre Stadt mitgestalten dürfen. Die Stadt Köln hat sich entschlossen, eine „Kinderfreundliche Kommune“ sein zu wollen.

Verbindlicher Aktionsplan

Dafür hat das Amt für Kinderinteressen einen ämterübergreifenden Aktionsplan erstellt, der vom Rat der Stadt im Dezember letzten Jahres gebilligt wurde und damit für die Verwaltung bindend ist. Unter anderem wurde damit ein neues „Kinder- und Jugendbüro“ beschlossen, das Mitte des Jahres seine Arbeit aufnehmen soll. Eine der wichtigsten Aufgaben wird es sein, Beteiligungsforen für Kinder und Jugendliche in allen Stadtbezirken zu organisieren, um sie an der Entwicklung ihrer Quartiere teilhaben zu lassen.

Kinderfreundliches Köln: Kinder und Jugendliche während der Vergabe des Siegels

Kinder und Jugendliche während der Vergabe des Siegels "Kinderfreundliche Kommunen" in Köln.

© Benjamin Horn/Stadt Köln

Denn um die Situation von Kindern wirklich beurteilen zu können ist es wesentlich zu erfahren, was sie selbst denken und möchten, ob für sie zum Beispiel Kita-Plätze, Schulformen oder ein Familien benachteiligendes Steuerrecht genauso zentral sind wie für viele Eltern oder Amtsleiter oder Journalisten. Oder ob es da vielleicht ganz andere Themen gibt.

Auszeichnung als Ansporn

Für ihre Entschlossenheit haben wir die Stadt am 20. Februar mit dem Siegel „Kinderfreundliche Kommune“ ausgezeichnet.

Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker bekräftigte bei einer feierlichen Veranstaltung zur Siegelübergabe im Rathaus, dass die Auszeichnung eine Verpflichtung und ein Ansporn sei, tatsächlich die Interessen der Kinder in der Stadt höher zu gewichten und sie stärker einzubeziehen.

Kinderrechtsarbeit in Köln: Auszeichnung zur "Kinderfreundliche Kommune"
© Benjamin Horn/Stadt Köln

Das ist der Kern der Initiative „Kinderfreundliche Kommunen“, die UNICEF aus der Taufe hob und der weltweit inzwischen 38 Länder folgen. In Deutschland setzt der Verein „Kinderfreundliche Kommunen“ die Initiative um, mit Sitz in Köln und einer Geschäftsstelle in Berlin, getragen von UNICEF Deutschland gemeinsam mit dem Deutschen Kindershilfswerk.

Bisher haben sich 16 Kommunen ganz unterschiedlicher Größe und aus verschiedenen Teilen Deutschlands der Initiative angeschlossen. Weitere Großstädte wie Stuttgart sollen folgen, aber auch kleine Gemeinden, die sich der Umsetzung der Kinderrechte verschreiben. Die Initiative steht allen offen. Das ist so wichtig, weil nicht nur die Kinder in besonders guten Lagen profitieren sollen, sondern auch in Gegenden, die vielleicht eher weniger zu bieten haben.

Die teilnehmenden Kommunen erarbeiten unter Beteiligung von Kindern und Jugendlichen und beraten von Sachverständigen einen übergreifenden Aktionsplan, mit dem innerhalb von drei Jahren je nach der spezifischen lokalen Situation bestimmte Maßnahmen umgesetzt werden sollen – zur besseren Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, zur besseren Bekanntmachung der Kinderrechte, zur Eroberung neuer Flächen für Kinder, zur Stärkung des Kinderschutzes usw. Je nachdem, wie die Situation vor Ort ist, kann mit dem Aktionsplan an den nötigen Stellschrauben gedreht werden.

Beteiligung ist Pflicht

Verpflichtend ist jedoch die durchgehende Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, ein Beschluss des kommunalen Parlaments über den Aktionsplan, ein Zwischenbericht und ein Abschlussbericht. Außerdem muss sichergestellt sein, dass die Initiative mit Personal und Budget abgesichert ist. Am Ende der drei Jahre kann die Kommune mit einem neuen Aktionsplan erreichen, dass das Siegel verlängert wird.

Ich bin sehr gespannt, ob und inwiefern Kinder in Köln im öffentlichen Raum in den kommenden Jahren sichtbarer werden. Vor allem aber bin ich gespannt, welche Erkenntnisse das Kinder- und Jugendbüro über die tatsächlichen Anliegen der jüngeren Bevölkerung in der Millionenmetropole am Rhein gewinnen wird und wie die Stadt diese dann in konkretes Handeln umsetzt.

Zumindest die Plakate zur Bewerbung des geplanten Kinder- und Jugendbüros, die derzeit das Stadtbild mitbestimmen, lassen darauf schließen, dass sich wirklich etwas ändern wird. Alle Erwachsenen, mit denen ich gesprochen habe, finden Sie unästhetisch und können mit der Überschrift „I bims“, dem Jugendwort des Jahres 2017, nichts anfangen, mich eingeschlossen. Das spricht dafür, dass die Plakate ihre Zielgruppe treffen…

Was denken Sie über die Kinderfreundlichkeit ihrer Stadt oder Gemeinde? Und wann haben Sie zuletzt ein Kind nach seiner Meinung gefragt? Schreiben Sie uns!

Dr. Sebastian Sedlmayr, UNICEF Deutschland
Autor*in Dr. Sebastian Sedlmayr

Sebastian Sedlmayr arbeitet seit 2006 für UNICEF. Er beschäftigt sich vor allem mit der Situation benachteiligter Kinder und mit der Umsetzung der Kinderrechtskonvention in Industrieländern.