© UNICEF/UN0421349/AbdulFAQ Psychische Gesundheit
Gut zu wissen

Psychische Gesundheit: Die wichtigsten Fragen und Antworten

Sie ist wichtig für uns alle, aber trotzdem reden wir kaum darüber: Der Umgang mit psychischer Gesundheit ist von Missverständnissen geprägt. Was psychische Gesundheit bedeutet und wie sie beeinflusst wird – hier haben wir die wichtigsten Infos zusammengestellt.


von Klas Libuda 3

Was ist psychische Gesundheit?

Wenn wir jemandem "vor allem Gesundheit!" zum Geburtstag wünschen, meinen wir meist damit, dass er oder sie keine Grippe verschleppen, sich beim Sport nicht verletzen und frei von schlimmeren Krankheiten bleiben soll. Viele von uns dürften bei ihren Geburtstagswünschen nur das körperliche Wohlbefinden im Sinn haben, dabei ist auch die psychische/mentale Gesundheit Teil der Gesundheit eines jeden Menschen.

Denn Gesundheit beschreibt laut Weltgesundheitsorganisation einen Zustand des körperlichen, psychischen und sozialen Wohlbefindens. Es geht also darum, dass es uns gut geht. Dafür ist auch psychische Gesundheit wichtig. Denn so wie körperliches Wohlbefinden beeinflusst auch die mentale Gesundheit (engl.: mental health) unsere Fähigkeit zu denken, zu fühlen, zu lernen, zu arbeiten, Beziehungen zu führen und am Leben der Gesellschaft teilzuhaben.

Doch noch immer denken viele Menschen zuerst an psychische Erkrankungen, wenn von psychischer Gesundheit die Rede ist. Dabei kann sich das gesamte Spektrum des mentalen Befindens zwischen guter psychischer Gesundheit über punktuelle Krisen bis hin zu schweren psychischen Erkrankungen bewegen. Die Übergänge sind meist fließend. So wie auch unsere körperliche Verfassung stetigen Veränderungen ausgesetzt ist.

Wie steht es um die psychische Gesundheit von Kindern und jungen Menschen weltweit?

Schätzungsweise jeder siebte junge Mensch zwischen zehn und 19 Jahren (13 Prozent) lebt mit einer diagnostizierten psychischen Erkrankung wie Depressionen oder Angststörungen. Das entspricht 80 Millionen Jugendlichen im Alter von 10 bis 14 Jahren und 86 Millionen Heranwachsenden im Alter von 15 bis 19 Jahren. Trotz der großen Zahl betroffener Kinder und Jugendlicher ist das Thema für viele Menschen aber immer noch tabu. Der Umgang mit psychischen Erkrankungen und psychischer Gesundheit ist von Missverständnissen und Stigmata geprägt. Häufig wird psychisches Leid nicht ernst genug genommen oder übersehen.

Gleichzeitig besteht eine große Lücke zwischen dem Bedarf an Hilfsangeboten und bereitstehenden Mitteln, um die psychische Gesundheit von Kindern zu schützen und zu unterstützen: In einigen der ärmsten Länder der Welt geben Regierungen durchschnittlich weniger als einen US-Dollar pro Person für die Behandlung von psychischen Erkrankungen aus. In Entwicklungs- und Schwellenländern kommen auf 100.000 Einwohner im Schnitt 0,1 Psychiater*innen, die sich auf Kinder und Jugendliche spezialisiert haben. In den Industrieländern sind es 5,5 pro 100.000.

Psychische Gesundheit: Andre aus Peru wird wegen Depressionen behandelt.

Andre (Name geändert] aus Peru wird wegen Depressionen und Angststörungen behandelt. Er ist einer von weltweit schätzungsweise 166 Millionen Zehn- bis 19-Jährigen, die mit psychischen Erkrankungen leben.

© UNICEF/UN0476518/Mandros

Inwiefern hat die Corona-Pandemie die Situation verschärft?

Anderthalb Jahre nach Ausbruch der Pandemie sind die Auswirkungen auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen deutlich spürbar. Viele hat es stark belastet, über Monate nicht zur Schule gehen, nicht mit Freund*innen spielen zu können. Hinzu kommen gesundheitliche oder finanzielle Sorgen in den Familien. Viele Kinder und Jugendliche fühlen sich einsam, verängstigt oder sorgen sich um ihre Zukunft.

Laut einer Umfrage von UNICEF und dem Forschungsinstitut Gallup in 21 Ländern im Sommer 2021 gab jede*r Fünfte (19 Prozent) zwischen 15 und 24 Jahren an, sich häufig deprimiert zu fühlen oder wenig Interesse an Dingen zu haben oder daran, etwas zu unternehmen. In Deutschland sagte dies eine*r von vier Befragten (24 Prozent).

InfoLesetipp

Kindheit in der Corona-Pandemie

Möchten Sie mehr über die Folgen der Pandemie für Kinder weltweit erfahren und darüber, wie UNICEF hilft? Hier finden Sie immer die aktuellsten Corona Infos im UNICEF Blog.

Wer oder was beeinflusst die psychische Gesundheit von Kindern?

Die psychische Gesundheit wird von einem Zusammenspiel zahlreicher Faktoren geprägt. Dazu zählen genetische Faktoren ebenso wie das Lebensumfeld und die Erfahrungen, die Kinder machen. Unterschieden werden drei Bereiche, die die psychische Gesundheit beeinflussen:

  • die "Welt des Kindes", die durch sein Zuhause und sein Erziehungsumfeld bestimmt wird
  • die "Welt um das Kind herum", zum Beispiel Sicherheit und Bindung in Kindertageseinrichtungen, Schulen und Gemeinden
  • die "Welt als Ganzes", die durch soziale Einflussfaktoren wie Armut, Naturkatastrophen, Konflikte oder Diskriminierung bestimmt wird

Diese Faktoren können sowohl positiven als auch negativen Einfluss haben. Beispielsweise kann die Schule einerseits ein Ort sein, an dem Kinder Freundschaften schließen, Sicherheit erfahren und wichtige Fähigkeiten zur Stärkung ihrer Psyche erlernen. Andererseits können sie dort auch Mobbing, Rassismus, Gruppenzwang oder Leistungsstress erleben.

Andere Einflüsse bedingen sich wechselseitig, wie Armut und psychische Gesundheit: Armut kann zu psychischen Problemen führen, und psychische Probleme können Armut nach sich ziehen. Weltweit leben rund 20 Prozent aller Kinder unter fünf Jahren in extremer Armut – allein diese Zahl zeigt, wie viele Kinder dem Risiko psychischer Beeinträchtigungen ausgesetzt sind.

Aber: Es ist wichtig zu betonen, dass sich Krisen und Lebensumstände auf Kinder ganz unterschiedlich auswirken und jedes Kind anders damit umgeht.

Psychische Gesundheit: Auch die Schule kann die mentale Gesundheit beeinflussen.

Zahlreiche Faktoren beeinflussen die psychische Gesundheit. Für Kinder können etwa auch Erfahrungen im Schulalltag entscheidend sein.

© UNICEF/UNI330866/Frank Dejongh

Welche Rolle spielt die Familie für die psychische Gesundheit?

Ein liebevolles und unterstützendes Familienumfeld ist einer der stärksten Schutzfaktoren für psychische Gesundheit in der Kindheit und der Jugend. Gewalt ist dagegen einer der größten Risikofaktoren.

Übrigens beginnt der Einfluss von Eltern sogar schon vor der Geburt eines Kindes und ist häufig durch die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse geprägt. So kann eine schlechte allgemeine Ernährungssituation beispielsweise Mangelernährung in der Schwangerschaft zur Folge haben, was zu Untergewicht bei Neugeborenen führen kann. Untergewicht wiederum kann sich auf die Entwicklung des Gehirns und damit auf die psychische Gesundheit auswirken.

Welchen Einfluss hat Gewalt in der Erziehung auf die psychische Gesundheit von Kindern?

Gewalt gegen Kinder kann verheerende Folgen haben und sowohl die körperliche als auch psychische Entwicklung der betroffenen Kinder und jungen Menschen beeinträchtigen. Viele entwickeln aufgrund der Gewalterfahrungen weniger Selbstvertrauen und leiden unter Angst oder sogar Depressionen. Die Gewalt kann zudem ihre Fähigkeit beinträchtigen, zu lernen oder positive Beziehungen einzugehen. Langfristig kann sich dies auf ihre Bildungsmöglichkeiten und ihre berufliche Entwicklung auswirken.

Umso wichtiger ist es, das gesellschaftliche Bewusstsein für Gewalt gegen Kinder zu schärfen und Angebote, die Eltern und Kinder unterstützen, wie beispielsweise Elternberatungen und Betreuungsangebote, zu fördern.

Wie kann psychische Gesundheit gestärkt werden?

Über psychische Gesundheit sprechen wir noch viel zu selten. Ein erster Schritt wäre deshalb damit getan, sie endlich zum Thema zu machen und als das zu begreifen, was sie ist: ein entscheidender Faktor für unser Wohlbefinden.

Es gibt zudem zahlreiche Schutzfaktoren, die die psychische Gesundheit schon in der Kindheit stärken können: Liebevolle Bezugspersonen und positive Beziehungen zu Gleichaltrigen können etwa dazu beitragen, das Risiko psychischer Beeinträchtigungen und Störungen zu verringern. Hilfsangebote für Mütter und Väter können zum Beispiel die Bindung zwischen Eltern und Kind verstärken, eine gewaltfreie Erziehung fördern und die kognitive Entwicklung der Kinder verbessern.

Zudem können Programme zur besseren sozialen Absicherung indirekt die psychische Gesundheit von Mädchen und Jungen unterstützen, indem sie die Teilnahme am Schulunterricht, die Ernährungssituation und den Zugang zu Gesundheits- und sozialen Dienstleistungen verbessern. In humanitären Krisen können schnelle Interventionen unmittelbare Hilfe bei Depressionen, Angstzuständen und posttraumatischem Stress leisten und dadurch die psychische Gesundheit von Kindern und jungen Menschen stärken.

Belize: Tochter sitzt auf dem Schoss ihrer Mutter bei einer Routineuntersuchung beim Arzt

Liebevolle Beziehungen und ein sicheres Umfeld können dazu beitragen, das Risiko psychischer Beeinträchtigungen und Störungen zu verringern.

© UNICEF/UN0498225/Cus

Was muss jetzt geschehen?

Aus Sicht von UNICEF ist es wichtig, die psychische Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und Betreuenden zu fördern, gefährdete Kinder zu schützen und besonders verletzliche Kinder zu unterstützen. Es braucht dringend mehr Investitionen in allen Bereichen der Gesellschaft, nicht nur im Gesundheitswesen, und einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz zum Schutz, zur Förderung und zur Unterstützung von Kindern und jungen Menschen.

Maßnahmen zur Förderung der psychischen Gesundheit in den Bereichen Gesundheit, Bildung und soziale Sicherung sollten auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse ausgeweitet werden. Dazu gehören Elternprogramme, die eine flexible, liebevolle Unterstützung und Betreuung der Kinder und die psychische Gesundheit von Eltern und Erziehenden fördern. Schulen sollten die psychische Gesundheit durch Hilfsangebote und ein positives Lernumfeld unterstützen.

Das Schweigen zu psychischen Erkrankungen muss gebrochen, Stigmata bekämpft und Aufklärung im Bereich der psychischen Gesundheit gefördert werden. Die Erfahrungen von Kindern und Jugendlichen müssen ernst genommen werden.

Wo kann ich in Deutschland Hilfe erhalten?

Zahlreiche Anlauf- und Beratungsstellen bieten Kindern, Jugendlichen, Eltern oder andere Bezugspersonen persönliche Gespräche und vermitteln bei Bedarf auch weitergehende Unterstützungsmöglichkeiten:

In den meisten Städten bietet etwa der Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienst Kindern, Jugendlichen und Eltern Unterstützung an. Auch die lokalen Jugendämter sowie Erziehungs- und Familienberatungsstellen bieten Rat in Krisensituationen an. Über die jeweiligen Angebote geben Städte und Gemeinden Auskunft, etwa auf ihren Internetseiten. Eine Übersicht zu Beratungsstellen vor Ort bieten außerdem das „Familienportal“ sowie die Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugend- und Eheberatung (DAJEB).

Kinder und Jugendliche können sich kostenfrei und anonym beim Kinder- und Jugendtelefon der "Nummer gegen Kummer" beraten lassen. Dort sitzen erwachsene oder jugendliche Berater*innen am Telefon. Erreichbar unter: 116 111 (Mo-Sa: 14 bis 20 Uhr; Mo, Mi, Do: zusätzlich 10 bis 12 Uhr)

Ein kostenloses Elterntelefon der "Nummer gegen Kummer" richtet sich an Mütter und Väter, die sich anonym Ratschläge holen möchten, wenn sie sich in ihrem Familienalltag oder bei Erziehungsfragen überfordert fühlen. Die Rufnummer lautet: 0800 111 0550 (Mo-Fr: 9 bis 17 Uhr; Di und Do: bis 19 Uhr)

Kinder und Jugendliche können sich online an jugendnotmail.de wenden. Dort ehrenamtlich tätige Fachkräfte bieten eine vertrauliche Beratung unabhängig vom Anliegen.

Die Bundeskonferenz für Erziehungsberatung bietet ein Online-Beratungsangebot durch geschulte Fachkräfte.

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Autor*in Klas Libuda

Klas Libuda ist Print- und Online-Redakteur und bloggt über die UNICEF-Arbeit weltweit.