© UNICEF/UNI352109/Siakachoma/OutSet MediaEine Mutter mit ihrem Kind
Gut zu wissen

"Positive discipline": Tipps für einen positiven Erziehungsstil

Die meisten Eltern kennen den Moment, an dem sie auch mal an ihre Grenzen stoßen. Ein schreiendes Kleinkind, ein wütender Teenager – manchmal ist es schwer, nicht die Nerven zu verlieren. Fest steht jedoch: Anschreien und körperliche Gewalt  sind niemals hilfreich. 


von Christine Kahmann Autorin

Zum Glück gibt es angemessenere Erziehungsansätze – und einer davon nennt sich "positive discipline". Wie kann der Ansatz Eltern dabei helfen, eine positive Beziehung zu ihrem Kind aufzubauen und Fähigkeiten wie Verantwortung, Zusammenarbeit und Selbstdisziplin vorzuleben? Wir haben uns dazu mit Lucie Cluver, Professorin für Kinder- und Familiensozialarbeit an der Universität Oxford und Mutter von zwei Jungen, ausgetauscht.

Worum geht es bei "positive discipline"?

"Eltern wollen ihre Kinder nicht anschreien oder schlagen. Doch manchmal kommt es trotzdem dazu, beispielsweise, weil wir gestresst sind oder in einer Situation keinen Ausweg sehen", sagt Cluver.

Fest steht jedoch: Anschreien und Schlagen sind keine Lösung. Im Gegenteil, wir schaden unseren Kindern damit. Wiederholtes Anschreien oder das Schlagen von Kindern können sich sogar nachteilig auf ihr gesamtes Leben auswirken. Denn der anhaltende "toxische Stress" den Kinder dabei empfinden, kann eine ganze Reihe negativer Folgen haben und beispielsweise das Risiko von Schulabbrüchen, Depressionen, Drogenkonsum, Selbstmord und Herzerkrankungen verschärfen.

Ein Vater liest seinem Kind aus einem Buch vor.
© UNICEF/UNI346411/Panjwani

Anstatt Kinder zu bestrafen und sich darauf zu konzentrieren, was nicht geschehen soll, will der Ansatz der "positive discipline" eine gesunde Beziehung zum Kind aufbauen und positives Verhalten fördern. Die gute Nachricht ist, es funktioniert! Und zwar so:

1. Zusammen Zeit verbringen

Zeit zu zweit ist wichtig für jede Beziehung, insbesondere für die Beziehung zu unseren Kindern. "Das können 20 Minuten pro Tag sein. Oder auch nur fünf Minuten. Sie können es mit anderen Tätigkeiten kombinieren, beispielsweise ein gemeinsames Lied beim Spülen singen oder sich beim Wäsche aufhängen unterhalten", sagt Cluver. "Wichtig ist, sich dabei ganz auf sein Kind zu konzentrieren. Der Fernseher und das Handy sollten ausgeschaltet sein. Es geht darum, sich wirklich auf das Kind einzulassen."

2. Positives Verhalten anerkennen

Als Eltern richten wir unsere Aufmerksamkeit häufig auf das negative Verhalten unserer Kinder, auf das, was nicht gut läuft. Kinder merken dann, dass sie durch ihr negatives Verhalten die Aufmerksamkeit ihrer Eltern gewinnen können. So wird negatives Verhalten gefördert, statt es zu stoppen.

Doch Kinder brauchen Lob und Ermutigung, dadurch fühlen sie sich geliebt und bestärkt. Deshalb: "Erkennen Sie positive Verhaltensweisen an und loben Sie Ihr Kind dafür, auch wenn es zum Beispiel nur fünf Minuten mit den Geschwistern gespielt hat", empfiehlt Cluver. "Dies kann positives Verhalten fördern."

3. Erwartungen klar kommunizieren

"Es ist viel effektiver, wenn Sie Ihrem Kind klar sagen, was es tun soll, als was es nicht tun soll", sagt Cluver. "Wenn Sie Ihr Kind beispielsweise darum bitten, kein Durcheinander zu veranstalten oder sich zu benehmen, ist dem Kind nicht genau klar, was es tun soll." Wenn Sie jedoch ganz klar formulieren, was Sie von ihm erwarten, wie beispielsweise "Bitte räumt alle Spielzeuge auf und legt sie in die Kiste", versteht das Kind besser, was Sie von ihm verlangen und setzt dies auch eher um.

"Aber es ist wichtig, dabei realistische Erwartungen zu setzen. Wenn Sie Ihr Kind darum bitten, den ganzen Tag lang still zu sein, lässt sich das nicht so gut umsetzen, wie wenn Sie Ihr Kind bitten, Sie zehn Minuten lang in Ruhe telefonieren zu lassen", sagt Cluver. "Sie kennen Ihr Kind und wissen, was für es möglich ist. Wenn Sie nach dem Unmöglichen fragen, werden Sie nicht weit kommen."

4. Kreativ ablenken

In einer schwierigen Situation kann es manchmal helfen, Kinder geschickt mit etwas Positivem abzulenken. "Wenn Sie Ihr Kind ablenken, indem Sie beispielsweise das Thema wechseln, ein Spiel vorschlagen, den Raum wechseln oder spazieren gehen, wird seine Energie auf etwas Positives gelenkt", sagt Cluver.

Das Timing ist dabei entscheidend. Denn es geht auch darum, zu erkennen, wenn eine Situation eskalieren könnte und rechtzeitig zu reagieren. Wenn Eltern aufmerksam sind und mitbekommen, dass ihr Kind anfängt zappelig, gereizt oder verärgert zu werden, oder wenn zwei Geschwister das gleiche Spielzeug im Blick haben, lassen sich angespannte Situationen rechtzeitig auflösen.

5. Positive Lösungen und Alternativen anbieten

Es gehört zum Aufwachsen zu lernen, dass unser Handeln Konsequenzen hat. Wenn Grenzen und Regeln klar kommuniziert werden lernen Kinder, Verantwortung für ihr Verhalten zu übernehmen.

Wenn Konsequenzen rechtzeitig angekündigt werden, können Kinder ihr Verhalten noch ändern. Wenn Sie beispielsweise möchten, dass Ihr Kind aufhört, die Wände zu bemalen, können Sie es freundlich darum bitten, damit aufzuhören und ankündigen, dass Sie sonst seine Spielzeit beenden. Dann weiß Ihr Kind, womit es rechnen muss, und hat die Möglichkeit, sein Verhalten zu ändern.

Wenn dies nicht hilft, bleiben Sie ruhig und freundlich, aber konsequent. "Loben Sie sich selbst dafür – denn es ist nicht leicht", so Cluver.

Wenn Ihr Kind dann mit dem Wändebemalen aufhört, erkennen Sie dies an und loben Sie Ihr Kind. "Damit schaffen Sie für Ihr Kind einen Kreis positiven Feedbacks. Das ist sehr effektiv um Kindern beizubringen, welche Konsequenzen ihr Fehlverhalten haben kann", erklärt Cluver.

Tochter und Vater spielen zusammen.
© UNICEF/UNI319330/Veska

Beim "positive parenting" ist es wichtig, konsequent zu bleiben und realistisch zu sein. "Sie können Ihrem Kind im Teenageralter vielleicht für eine Stunde untersagen, das Handy in die Hand zu nehmen. Aber wenn Sie eine Woche ohne Handy ankündigen, lässt sich das nur schwer umsetzen."

Umgang mit jüngeren Kindern

Gemeinsame Zeit zu zweit macht Spaß – und kostet nichts! "Ahmen Sie einander nach, schlagen Sie Löffel gegen Töpfe oder singen Sie gemeinsam", erklärt Cluver. "Es gibt erstaunliche Forschungsergebnisse, die belegen, dass Spielen die Gehirnentwicklung fördert."

Umgang mit älteren Kindern

Genauso wie jüngere Kinder sehnen sich Teenager nach Anerkennung und Lob. Auch für sie ist die gemeinsame Zeit zu zweit wichtig. "Viele haben Spaß daran, gemeinsam zu tanzen oder sich mit ihren Eltern über ihre Lieblingssängerin auszutauschen, auch wenn sie es nicht zeigen", erklärt Cluver. "Solche Momente tragen zu einer positiven Beziehung bei, die sich an den Bedürfnissen der Kinder orientiert."

Wenn es um Grenzen geht, "bitten Sie Ihr Kind, die Regeln gemeinsam festzulegen", schlägt Cluver vor. "Setzen Sie sich zusammen und definieren Sie, was geht und was nicht geht. So fühlen sich Ihre Kinder respektiert und spüren Ihr Verständnis dafür, dass Kinder sich zu unabhängigen Menschen entwickeln möchten."

Eine Mutter spielt mit ihrer Tochter.
© UNICEF/UNI321591/El-Dalil

Tipps für Eltern während der Covid-19-Pandemie

Die Corona-Pandemie hat unser aller Leben auf den Kopf gestellt, Familien sind besonders betroffen. Hier einige Tipps, die helfen können, mit schwierigen Situationen umzugehen.

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Sinnvolle Beschäftigung für Zuhause: Tipps gegen Langeweile in Corona-Zeiten

1. Innehalten

Alle Eltern wissen, wie stressig es sich anfühlt, wenn Kinder sich "schwierig" benehmen. Halten Sie inne und drücken Sie den "Pausenknopf". Atmen Sie langsam fünf Mal tief durch und Sie werden merken, dass Sie ruhiger und bewusster mit der Situation umgehen können. "Eine kurze Pause kann sehr hilfreich sein, das betonen Eltern immer wieder", rät Cluver.

2. Einen Schritt zurücktreten

Viele Eltern vergessen es, auf sich selbst zu achten. "Nehmen Sie sich Zeit für sich selbst, beispielsweise wenn die Kinder im Bett sind, und machen Sie etwas, das Ihnen guttut und Sie beruhigt. Es ist schwierig, alles richtig zu machen, wenn man sich keine Pause nimmt", sagt Cluver.

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3. Sich auf die Schulter klopfen

"Man vergisst schnell, wieviel Großartiges man als Elternteil jeden Tag leistet und dafür sollte man sich selbst loben." Nehmen Sie sich jeden Tag, beispielsweise beim Zähneputzen, einen Moment Zeit und fragen Sie sich: 'Was habe ich heute mit meinen Kindern besonders gut gemacht?' Und seien Sie sich bewusst, dass Sie immer etwas Großartiges geleistet haben", rät Cluver. Und sagt: "Auch in schwierigen Situationen sind Sie nicht allein. Millionen Eltern überall auf der Welt versuchen jeden Tag, ihr Bestes zu geben und nicht immer schaffen wir es. Und dann versuchen wir es nochmal. Gemeinsam kommen wir da durch!"

Info

Bis heute wird Gewalt gegen Kinder – weltweit wie in Deutschland – viel zu oft stillschweigend akzeptiert, heruntergespielt oder sogar gerechtfertigt. Insbesondere das Ausmaß und die Folgen psychischer Gewalt gegen Kinder werden häufig unterschätzt. Mit der Kampagne #Niemals Gewalt möchte UNICEF für das Thema alltägliche Gewalt gegen Kinder sensibilisieren. Erfahren Sie mehr

** Dieser Blogbeitrag wurde für Sie übersetzt und adaptiert. Er erschien im Original hier.

Mitarbeiterfoto: Christine Kahmann, UNICEF Deutschland
Autor*in Christine Kahmann

Christine Kahmann berichtet aus der Pressestelle über aktuelle UNICEF-Themen.