Kinder in einer Grundschule in Serbien. © UNICEF/NYHQ2011-1156/Holt

„Gezielte Hilfe für Kinder“

Ein Gespräch mit Christian Salazar, stellvertretender Leiter der weltweiten UNICEF-Programmarbeit, zum Thema Wirkungskontrolle


Mit dem Ansatz der Chancengerechtigkeit („Equity“) setzt UNICEF sich dafür ein, dass jedes Kind seine Rechte verwirklichen kann – gerade die am meisten benachteiligten. Die neue Methode einer umfassenden Datenerhebung MoRES (Monitoring Results for Equity System) sorgt jetzt für noch mehr Transparenz in der Programmarbeit.

Was bringt MoRES für benachteiligte Kinder?

Mit MoRES erheben wir gezielt die Daten und Fakten, die notwendig sind, um besonders benachteiligten Kindern zu helfen. So können wir unsere Arbeit noch gezielter an ihren Bedürfnissen ausrichten. Diese Mädchen und Jungen erhielten bisher oft keine Hilfe, weil man kaum etwas über sie weiß oder sie schwer erreichbar sind.

Ein Beispiel: Die vielen Kinder in Georgien, die in Heimen oder auf der Straße leben. Sie wurden von den üblichen Haushaltsbefragungen nicht erfasst, niemand wusste bisher, wie es ihnen geht, was sie brauchen. Dank zusätzlicher Erhebungen können wir jetzt auch diesen Kindern helfen.

Ziel von MoRES ist es, schneller reagieren und notwendige Kurskorrekturen vornehmen zu können. Wir können aber auch erfolgreiche Ansätze schneller erkennen und sofort in die Breite tragen – auch in andere Länder. UNICEF setzt den Ansatz gemeinsam mit lokalen Partnern, Regierungen und anderen UN-Organisationen um.

Eine Waisenhaus-Mitarbeiterin hilft einem Mädchen beim Hände waschen © UNICEF/ HQ04-0697/Giacomo Pirozzi

Russische Föderation, Kaliningrad: Die 18 Monate alte Tania wächst in einem Heim auf.

© UNICEF/ HQ04-0697/Giacomo Pirozzi

Warum reichen die bisherigen Daten nicht aus?

In den letzten Jahren gab es in vielen Ländern Fortschritte. Doch Durchschnittswerte verschleiern oft große Unterschiede zwischen armen und reicheren Bevölkerungsgruppen. Arm zu sein bedeutet aber auch nicht immer, besonders gefährdet zu sein. Beispiel HIV/Aids in Ghana: Der Norden des Landes ist sehr arm. Aber HIV/Aids bedroht vor allem Familien und Kinder in den Armenvierteln der größeren Städte.

Wir müssen also genau hinschauen. Und wenn wir einer Regierung beweisen können: „In den zehn ärmsten Distrikten Ihres Landes gibt es fast keine Gesundheitsstation, in der der Kühlschrank für Impfstoffe funktioniert“, ist das für die Verantwortlichen oft ein Aha-Erlebnis.

Wie genau funktioniert die Erhebung?

MoRES ist eine Art „Rundruf“, um an Daten und Informationen über ein bestimmtes Problem und seine Ursachen zu kommen. Wie kommt es zum Beispiel, dass in einem bestimmten Distrikt besonders viele Kinder an Malaria sterben? Kostet der Besuch der Klinik Geld, fehlt es dort chronisch an Medikamenten, sind Moskitonetze unbekannt?

MoRES wird dieses Jahr zunächst in 24 Ländern eingeführt und dann nach und nach auf alle UNICEF-Programme ausgeweitet. Wir helfen auf verschiedenen Ebenen bei der Datenerhebung, in unterschiedlichen Abständen: Einfache Dinge zu messen – wie die Versorgung mit Impfstoffen oder Moskitonetzen – ist alle sechs Monate sinnvoll, nach Bedarf auch öfter. Strukturelle Fortschritte, zum Beispiel die Durchsetzung eines neuen Gesetzes oder veränderte Einstellungen, mehr Respekt vor Kindern oder weniger Gewalt, dauern länger und werden im Abstand von einigen Jahren erhoben.

Quantitative Daten erheben meist die Lokalbehörden, mit unserer Unterstützung. Qualitativ nutzen wir zum Beispiel Fallstudien oder befragen Gruppen von Erwachsenen oder Kindern und Jugendlichen. All das hilft, die Zusammenhänge zu verstehen – und zum Beispiel Latrinen so zu planen und zu bauen, dass die Bevölkerung den Sinn versteht, sie nutzt und selbst instandhält.

Zehn Faktoren für Wirkung

Die MoRES-Analysen prüfen zehn Faktoren anhand entsprechender Messgrößen (siehe Beispiele), um die Programmfortschritte nachzuhalten. Hier eine Übersicht am Beispiel Sanitärversorgung und Hygiene.

Unterstützende Umgebung

1. Soziale Normen – z.B. religiöse Führer, die für Händewaschen und die Nutzung von Latrinen eintreten

2. Gesetzgebung und -anwendung – z.B. nationaler Aktionsplan zur Sanitärversorgung

3. Budget – z.B. Distrikte in %, die genug Geld für Hygieneaufklärung haben

4. Management und Koordination – z.B. Distriktkomitee, das lokale Aktivitäten koordinieren kann

Angebot

5. Verfügbarkeit wichtiger Güter und Leistungen – z.B. Dörfer in % mit ausgebildeten Handwerkern für Latrinenbau

6. Zugang zu Diensten, Einrichtungen und Informationen – z.B. Dörfer in %, in denen Hygieneaufklärung stattfindet

Nachfrage

7. Bezahlbarkeit der Güter und Leistungen – z.B. Dörfer in %, die Zugang zu Unterstützungsleistungen für Latrinenbau haben

8. Soziokulturelle Akzeptanz – z.B. Dörfer in %, in denen die Lehrer zu den Vor- und Nachteilen eines Hygieneprogramms befragt wurden

9. Regelmäßigkeit der Nutzung – z.B. Dörfer in %, in denen nach einem Jahr kein Bewohner mehr seine Notdurft im Freien verrichtet

Qualität

10. Qualitätskontrolle – z.B. Dörfer in %, die das Hygieneprogramm nachweislich komplett umgesetzt haben