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Kinder weltweit

« Ich wünsche mir, dass es wieder Frieden gibt. »

Der Wunsch eines jungen Mädchens aus dem Sahel

Die zehnjährige Fatoumata aus Mali beschreibt die Unsicherheit und ihren Wunsch nach Hoffnung, den sie mit vielen Kindern und anderen marginalisierten Menschen in einer der krisenbehaftetsten Regionen Afrikas, dem Sahel, teilt. Wie können wir Krisen wie im Sahel begegnen? Darüber haben wir bei einer gemeinsamen Veranstaltung mit dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) und dem Welternährungsprogramm (WFP) gesprochen.


von Lydia Berneburg

Zur Halbzeit der Nachhaltigkeitsagenda zeigt sich eine düstere Bilanz

2023 markiert die Halbzeit der Agenda 2030, welche die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) umfasst. Darin haben sich alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen verpflichtet, eine gerechtere, friedlichere und lebenswertere Welt zu schaffen und dabei niemanden zurückzulassen. Zur Halbzeit zeigt sich jedoch, dass die nachhaltigen Entwicklungsziele in Gefahr sind, wenn wir unsere Anstrengungen nicht verstärken. Beim aktuellen Fortschrittstempo werden bis 2030 lediglich 60 Länder ihre Ziele erreichen. 140 Ländern bleiben also hinter den Erwartungen zurück – mit drastischen Folgen für die 1,9 Milliarden Kinder und ihre Familien in diesen Ländern.

Multiple Krisenkontexte wie der Sahel drohen abgehängt zu werden

Diese düstere Entwicklung zeigt sich besonders drastisch an der Sahelzone, einer Region, die von vielen Krisen gleichzeitig betroffen ist. Die Sahelzone ist eine der fragilsten Regionen der Erde. Hunger, die Auswirkungen des Klimawandels, Armut und extremistische Gruppen destabilisieren zunehmend viele Länder in der Region – mit gravierenden Folgen für die Menschen, insbesondere Kinder, Frauen und vertriebene Familien.

Sahel: Bedarf an humanitärer Hilfe ist in der Region sehr groß

Der anhaltende Konflikt und der unzureichende Zugang zu Unterstützung schwächen die ohnehin gefährdeten Gemeinschaften, sodass viele fliehen müssen wie in dieses Camp in Mali.

© UNICEF/UNI430546/N’Daou

In der zentralen Sahelzone (Burkina Faso, Mali und Niger) ist die Not für Kinder und ihre Familien besonders groß: Etwa 17,8 Millionen Menschen – darunter 9,7 Millionen Kinder – sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Rund 2,9 Millionen Menschen wurden aufgrund von Gewalt vertrieben, mehr als die Hälfte davon Kinder – sowohl innerhalb des Landes als auch über die Grenzen hinweg. Die zunehmende Unsicherheit bringt immer mehr Menschen in Gefahr. Und Kinder leiden besonders darunter. Die Instabilität und die Folgen des Klimawandels in der Region führen zudem dazu, dass Kinder unter Mangelernährung leiden, nicht lernen oder nur unzureichend eine Gesundheitsstation aufsuchen können. Es fehlt vielerorts an grundlegender Infrastruktur zum Leben, oft auch zum Überleben.

Fatoumata, zehn Jahre alt, aus Mali, beschreibt, wie sie, ihre Familie und Freunde von der andauernden Unsicherheit und den Folgen des Klimawandels, wie Überflutungen und Dürren, betroffen sind, und beispielsweise nicht mehr zur Schule gehen oder wichtige Gesundheitsversorgung nicht mehr wahrnehmen können:

Hoffnungsvolle Ansätze trotz komplexer multipler Krisen?

UNICEF Sahel Event: Humanitäre Hilfe für die Sahel Region

Die Situation im Sahel haben die folgenden Diskussionsteilnehmer*innen besprochen (von links nach rechts): Andrea Berther, stellvertretende UNICEF-Landesdirektorin in Mali; Susanne Fries-Gaier, Beauftragte für Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt; Christine Mhundwa, Journalistin (Moderation); Bärbel Kofler, Parlamentarische Staatssekretärin beim BMZ; Dr. Karamba Diaby, Mitglied im Deutschen Bundestag; und der Journalist Issio Ehrich - sowie Xavier Créach, UNHCR-Koordinator für den Sahel; Kinday Samba, WFP-Landesdirektorin in Mauretanien (die auf diesem Bild nicht zu sehen sind.)

© UNICEF

Es stellt sich also die Frage, wie man den zunehmenden komplexen Krisen wie im Sahel begegnen und zu Perspektiven und Resilienz vor Ort beitragen kann? Insbesondere, da in vielen wichtigen Geberländern, so auch Deutschland, über die Kürzung öffentlicher Gelder für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe diskutiert wird. Solche begrenzten Gelder könnten massive Auswirkungen für Kontexte wie den Sahel haben. Vor diesem Hintergrund haben die Diskussionsteilnehmer*innen aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), dem Auswärtigen Amt (AA), Bundestag sowie von UN-Organisationen und andere Stimmen aus der Region die Überschrift der Veranstaltung diskutiert:“Less money, more problems – any solutions? Wie Zusammenarbeit im Sahel Stabilität schaffen kann”.

Bei der Diskussion kamen einige wichtige Ansatzpunkte zur Sprache:

Die am meisten benachteiligten Menschen müssen erreicht werden, insbesondere Kinder, Frauen und von Flucht und Vertreibung betroffene Menschen. Es muss sichergestellt werden, dass auch in Gegenden, die schwer zu erreichen sind, die betroffenen Kinder und Familien erreicht werden: Mit lebensrettenden Hilfsgütern aber auch mit langfristigen Investitionen, die über die direkte Notversorgung hinausgehen. Denn nur, wenn Gesundheitssysteme funktionieren, sauberes Wasser und Hygiene möglich ist, Kinder zur Schule gehen können, Kinder und Familien sozial abgesichert sind und psychosoziale Unterstützungsleistungen wahrgenommen werden können, können Kinder und Familien eine Widerstandsfähigkeit aufbauen und sich für zukünftige Krisen wappnen.

UN0446238

Klima-resiliente Wasserinfrastruktur sind in den Dürregebieten des Sahels eine wichtige Lebensgrundlage.

© UNICEF/UN0446238/Pouget

Infrastruktur und Programme müssen so aufgestellt sein, dass sie resilient gegenüber Veränderungen in Folge des Klimawandels und von Krisen sind. Investitionen in beispielweise Wasserpumpen oder solarbetriebene Gesundheitseinrichtungen sind notwendig, um das Funktionieren von Systemen bei Stromausfällen oder anderen Herausforderungen zu gewährleisten. Die Kontinuität dieser wichtigen Dienstleistungen ist unerlässlich, wenn man Gesellschaften nachhaltig stärken möchte und der Instabilität wie im Sahel entgegenwirken möchte.

Es braucht einen stärkeren Fokus auf Kinder und Jugendliche. Durch Investitionen in ihre Lebenswelt wie mit Bildungsprogrammen kann ihnen eine Perspektive gegeben werden. Eine Perspektive, die in so schwierigen Umständen überlebenswichtig ist und die beispielsweise verhindern kann, dass Kinder und Jugendliche sich von Zukunftsversprechungen von bewaffneten Gruppen überzeugen lassen und sich diesen Gruppen anschließen.

Und es muss dafür gesorgt werden, dass Kinder und Jugendliche sich selbst mit ihren Vorstellungen einbringen können, um ihre Zukunft und die ihrer Gesellschaft mitzugestalten.

Wie wichtig es Kinder und Jugendlichen selbst ist, ihre Stimme einzubringen, zeigt der U-Report in Mali. Der U-Report ist eine Online-Plattform, auf der sich Kinder und Jugendliche, ohne besondere technische Ausstattung, zu den Themen zu äußern, die sie betreffen (siehe diese Facebook-Seite zum U-Report Mali für einige Beispiele).

Es geht um eine ganze Generation junger Menschen, die auf gute Zukunftsperspektiven angewiesen ist und die wir nicht im Stich lassen dürfen und dessen Stimmen wir einbeziehen müssen.

Fatoumata aus Mali beschreibt, wie sie selbst an eine bessere Zukunft glaubt und an ihr mitarbeitet:

Multilaterale Investitionen in der Region zeigen Wirkung. Die Resilienz von Familien und Kommunen kann tatsächlich gestärkt werden. Gemeinsam mit Partnern wie dem Welternährungsprogramm (WFP) und dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) arbeiten wir über Jahre vor Ort und nutzen die multilaterale Kooperation, um Kinder und Familien ganzheitlich zu unterstützen – auch jene, die schwer zu erreichen und oft besonders betroffen sind. Als UN-Organisationen sind wir mit unseren lokalen Umsetzungspartnern vor, während und nach Krisen vor Ort, um auf die Bedarfe zu reagieren oder ihnen präventiv zu begegnen. Die Zusammenarbeit geschieht beispielsweise in gezielt gemeinsam umgesetzten Programmen.

Ein gemeinsames Programm von WFP und UNICEF wird beispielsweise über mehrere Jahre hinweg mit der Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) zu sozialer Sicherung umgesetzt. Durch das Programm wurden seit 2020 fast 300.000 Haushalte und etwa zwei Millionen Menschen mit kleinen Bargeldhilfen in den drei Ländern erreicht. So können diese Familie besser mit Schocks umgehen und sind besser für zukünftige gewappnet. Auch werden grundlegende Leistungen wie Gesundheits-, Ernährungs- und Bildungssysteme gestärkt und damit langfristig die Resilienz der Bevölkerung.

Darüber hinaus konnte UNICEF im vergangenen Jahr beispielsweise in Mali über 385.000 Kinder mit Masernimpfungen erreichen und gemeinsam mit Partnern 164 solarbetriebene Wassersysteme bauen. In Niger konnte UNICEF lebensrettende Behandlungen für über 400.000 schwer mangelernährte Kinder ermöglichen und in Burkina Faso 740.000 Kinder, die nicht zur Schule gingen, durch formelle und informelle Bildungsprogramme erreichen.

Gerade vor dem Hintergrund bestehender finanzieller Herausforderungen kommt es mehr denn je auf eine gut koordinierte Zusammenarbeit mit Partnern und ein nicht nachlassendes multilaterales Engagement an, um auf eine positive Entwicklung in komplexen Kontexten wie dem Sahel hinzuwirken.

Wie würden wir der zehnjährigen Fatoumata auf ihre Sorgen und Wünsche antworten? Diese Frage wurde am Ende der Veranstaltung den Teilnehmenden mitgegeben, und kann auch uns ins Nachdenken bringen. Sie verdeutlicht in jedem Fall, dass die Wünsche der jungen Generation im Sahel nicht nur gehört werden müssen, sondern auch eine Antwort verdienen.

Lydia-Berneburg
Autor*in Lydia Berneburg

Lydia Berneburg arbeitet zu kinderrechtlichen Themen in der politischen Arbeit von UNICEF.