Geburtsort: Zwischen den Fronten
Jeden Tag werden syrische Kinder als Flüchtlinge geboren. Das junge Leben von vielen Kleinkindern wurde von Gewalt und Angst geprägt. Kurz vor dem zweiten Jahrestag des Syrien-Konflikts werde ich in Jordanien mit Familien über ihre Situation sprechen.
Für Eltern gibt es sicher kein größeres Glück als die ersten Monate im Leben ihres Kindes. Sie setzen alles daran, für den Säugling eine behütete Umgebung zu schaffen, die Entwicklung des Neugeborenen in diesen ersten, so wichtigen Monaten zu unterstützen, alles für die Gesundheit zu tun. Wie schön ist es mitzuerleben, was alles in den ersten zwei Lebensjahren passiert.
In den Notunterkünften innerhalb Syriens, in den Zelten im libanesischen Bekaa-Tal oder im Lager Za‘atari in Jordanien gibt es Zehntausende – viel zu viele! – Kleinkinder (und ihre Eltern), denen all dies verwehrt ist.
Und dies, ja, seit inzwischen zwei Jahren. Jeden Tag kommen in der Fremde Kinder auf die Welt, deren Mütter es nur mit größter Not über die Grenze und in Sicherheit geschafft haben, deren Väter noch in einer der umkämpften Städte in der Heimat ausharren, deren Geburtsort vielleicht unmittelbar zwischen den Fronten der Konfliktparteien liegt.
Kinder, die im März 2011 geboren wurden, haben in ihrer Kindheit bisher mitunter kaum einen Tag erlebt, an dem nicht gekämpft, geschossen, gebangt oder getrauert wurde. Das ist die unsichtbare Seite des Dramas in Syrien und den Nachbarländern: Kleinkinder, die sich immer enger an ihre Mütter klammern, die über Alpträume klagen, die nachts ins Bett nässen und morgens apathisch sind oder extrem nervös.
Kinder dürfen so etwas nicht erleben, das ist der Imperativ in Richtung aller Beteiligten in diesem Konflikt, der – man verliert dies viel zu schnell aus dem Blick – nun schon so lange andauert.
Schon bei meinem ersten Besuch in Za’atari vor einigen Monaten hat mich sehr berührt, wie groß das Bedürfnis der Kinder war, über ihre schrecklichen Erfahrungen inmitten der Schüsse und Bombardements und auf der Flucht zu sprechen. Kurz vor Weihnachten zeigten uns dann Fünfjährige in Beirut mit stillem Ernst ihre Bilder, auf denen sie die Felder und Häuser ihrer Heimat gemalt hatten – dazwischen in aller Unmittelbarkeit und in Rot die Opfer des letzten Gefechts.
An diesem Wochenende werde ich wieder in Za’atari sein, um mehr über die Lage der Flüchtlinge zu erfahren und mit unseren UNICEF-Kollegen zu sprechen. Sie versuchen dort seit Monaten, einen geregelten Alltag für die immer weiter steigende Zahl der Flüchtlinge aufzubauen. In den letzten Tagen verschärfte sich die Dringlichkeit ihrer Mails, es fehlt schlicht an ausreichenden Mitteln, die Hilfe aufrecht zu halten. Treffen werde ich auch Mütter, die gerade im Lager ihr Kind geboren haben – in der nächsten Woche werde ich Ihnen davon berichten.
Als Vater oder Mutter denkt man oft, wie schnell doch die ersten Lebensjahre der Kinder vorbeiziehen. Der näher rückende Jahrestag des nach wie vor wütenden Konfliktes muss eine Mahnung an alle sein, den Kindern, ganz gleich, auf welcher Seite der Frontlinie sie geboren sind, ihre Kindheit nicht ganz zu rauben.
Bitte unterstützen Sie die UNICEF-Arbeit für die Flüchtlingskinder aus Syrien mit einer Spende!