Statement

Tragischer Meilenstein: Situation der Kinder nach 10 Jahren Konflikt im Jemen

Statement von Peter Hawkins, Leiter der UNICEF-Hilfe im Jemen, bei der heutigen Pressekonferenz im Palais des Nations in Genf 

Sanaa/ Genf/ Köln

Adham (4) wird mit Erdnusspaste behandelt.

Adham (4) wird mit Erdnusspaste behandelt. Der Junge wird in einer von UNICEF unterstützten mobilen Klinik versorgt.

© UNICEF/UNI736172/Haleem

„Der Konflikt im Jemen hat einen tragischen Meilenstein erreicht. Mehr als ein Jahrzehnt eines größtenteils unerbittlichen Konflikts hat Kinder und Jugendliche ihrer Kindheit beraubt, ihre Zukunft zerstört und eine ganze Generation im Kampf ums Überleben zurückgelassen.

Heute stehe ich vor Ihnen, nicht nur, um Zahlen zu präsentieren, sondern auch, um die Stimmen von Millionen von Kindern zu erheben, die in einer der schlimmsten humanitären Langzeitkrisen der Welt gefangen sind – einer Krise, die von Hunger, schwerer Not und einer zunehmend besorgniserregenden Eskalation geprägt ist.

Jedes zweite Kind unter fünf Jahren ist akut mangelernährt. Mehr als 537.000 von ihnen leiden an schwerer akuter Mangelernährung – ein Zustand, der qualvoll, lebensbedrohlich und völlig vermeidbar ist. Mangelernährung schwächt das Immunsystem, hemmt das Wachstum und raubt Kindern ihr Potenzial. Für Kinder im Jemen handelt es sich nicht nur um eine Gesundheitskrise, sondern für Tausende gleicht dies einem Todesurteil.

Ebenso besorgniserregend ist, dass 1,4 Millionen schwangere und stillende Frauen mangelernährt sind, was einen Teufelskreis des Leids zwischen den Generationen verfestigt.

Diese Katastrophe ist menschengemacht. Mehr als ein Jahrzehnt des Konflikts hat die Wirtschaft, das Gesundheitssystem und die Infrastruktur des Landes stark geschwächt. Selbst in Zeiten, in denen die Gewalt nachließ, blieben die strukturellen Folgen des Konflikts gravierend – insbesondere für Kinder. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die Lebensmittelpreise sind seit 2015 um 300 Prozent gestiegen. Wichtige Häfen und Straßen – Lebensadern für Lebensmittel und Medikamente – sind beschädigt oder blockiert.

Trotz der schwierigen Bedingungen bleibt UNICEF vor Ort und setzt sich weiterhin für Kinder ein.

Im Jahr 2025 setzen wir unsere Unterstützung fort und unterstützen 3.200 Gesundheitseinrichtungen, die Behandlung von 600.000 mangelernährten Kindern, 70 mobile Gesundheitsteams, 42.000 kommunale Gesundheitsmitarbeitende und 27 therapeutische Ernährungszentren. Um diese wichtige Arbeit auch in Zukunft aufrechterhalten zu können, benötigen wir eine nachhaltige Finanzierung. Andernfalls riskieren 7,6 Millionen Menschen im Jemen, keinen Zugang zu medizinischer Grundversorgung mehr zu haben.

Unsere Finanzierung für das Jahr 2025 ist bislang nur zu 25 Prozent gedeckt. Ohne schnell verfügbare finanzielle Mittel können wir nicht einmal die minimalen Maßnahmen aufrechterhalten, die angesichts der steigenden Bedarfe benötigt werden.

Die Zeit drängt, denn für die mehr als 537.000 schwer mangelernährten Kinder zählt jede Minute. Das Risiko, dass ein schwer mangelernährtes Kind an Krankheiten stirbt, ist elfmal so hoch wie bei einem gesunden Kind im gleichen Alter. Ohne medizinische Behandlung werden sie lautlos sterben. Selbst diejenigen, die überleben, müssen mit lebenslangen Folgen rechnen, darunter Beeinträchtigungen der kognitiven Entwicklung, chronischen Krankheiten und der Verlust ihres wirtschaftlichen Potenzials. Dies ist nicht nur ein Verlust für den Jemen, es ist ein Versagen der Menschheit.

Letzten Monat begegnete ich in Taizz, im Süden des Jemen, der dreijährigen Amina. Ihre Mutter war 12 Kilometer gelaufen, um zu einer UNICEF-Klinik zu gelangen und hielt dabei Aminas abgemagerten Körper in den Armen. Heute erholt sich Amina, doch ihre Zukunft hängt davon ab, ob wir die Unterstützung aufrechterhalten können.

Dies hängt von folgenden zwei Faktoren ab:

Erstens müssen unsere Hilfsmaßnahmen vollständig finanziert werden. Für unsere Hilfe im Jahr 2025 benötigen wir zusätzlich 157 Millionen Dollar. Wir brauchen nachhaltige Investitionen, um alle Formen der Mangelernährung, Krankheiten, Bildungsdefizite und die Not der Kinder im Jemen zu bekämpfen.

Zweitens müssen humanitäre Hilfsmaßnahmen und Helfende geschützt werden. Alle Konfliktparteien im Jemen müssen die ungehinderte Lieferung von Hilfsgütern ermöglichen und den humanitären Teams erlauben, das zu tun, was sie am besten können: Leben retten. Wir fordern die Freilassung von inhaftierten UN-Mitarbeitenden und anderen humanitären Helfer*innen. Und, was besonders wichtig ist, ein Ende des Konflikts.

Die Kinder im Jemen können nicht noch ein weiteres Jahrzehnt warten. Sie brauchen Frieden, Gerechtigkeit und vor allem, dass wir jetzt handeln. Lassen wir sie nicht im Stich”

Service für Redaktionen:

Bildmaterial zum kostenfreien Download im Rahmen der Berichterstattung stehen hier zur Verfügung.

UNICEF ruft dringend zu Spenden für Kinder im Jemen auf.

Christine Kahmann

Christine KahmannSprecherin - Nothilfe

030-275807919presse@unicef.de