UNICEF-Aktionen zur Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien
Oliver Bierhoff: „Fußball ist für die brasilianischen Kinder mehr als Sport“
Vier Wochen vor Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien ruft UNICEF dazu auf, die Rechte benachteiligter Kinder in dem lateinamerikanischen Schwellenland zu stärken. Gleichzeitig hat UNICEF einen Aktionsplan gestartet, um während der WM insbesondere an den Austragungsorten der Spiele Kinder vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen. „Fußball ist für die brasilianischen Kinder mehr als Sport“, erklärte der Manager der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft und UNICEF-Pate Oliver Bierhoff. „Die WM ist auch eine Chance, den Rechten benachteiligter Kinder in Brasilien Gehör zu verschaffen und ihre Situation zu verbessern.“
Brasilien sind in den letzten Jahrzehnten große wirtschaftliche und soziale Fortschritte gelungen. Tatsächlich wächst jedoch weiter mehr als ein Drittel der rund 21 Millionen brasilianischen Kinder zwischen zwölf und 17 Jahren in Armut auf. Vielen benachteiligten Mädchen und Jungen bleibt bis heute eine gute Schul- oder Berufsausbildung verwehrt. Gewalt und Ausbeutung gehören für viele Heranwachsende zum Alltag.
„App“ zum Schutz vor Gewalt
Am 18. Mai startet UNICEF Brasilien eine landesweite Kampagne gegen Gewalt. Dazu haben UNICEF und Partner die App „Proteja Brasil“ für mobile Endgeräte entwickelt. Mit der App können Nutzer einfach und schnell Kinderrechtsverletzungen oder Beobachtungen von Gewalt gegen Kinder an Kinderschutzbehörden melden. Die App hält Informationen zum Thema Gewalt bereit, zeigt die nächstgelegene Anlaufstelle für Betroffene an und weist den Nutzer auf die nationale Hotline „Disque 100“ hin. Die App gibt es in Portugiesisch, Spanisch und Englisch. Im Jahr 2013 wurden in Brasilien allein über die Hotline „Disque 100“ mehr als 124.000 Fälle von Gewalt gegen Kinder erfasst.
Ein Netzwerk für das Recht auf Sport
Mit Unterstützung von UNICEF treten Kinder und Jugendliche in Brasilien für das Recht auf Spiel und Sport für alle Kinder ein. Über 600 Kinder und junge Erwachsene sind bereits Teil des Netzwerkes „Rejupe“ – auch in den zwölf Austragungsorten der Fußball-Weltmeisterschaft. Sie machen dort zum Beispiel in Schulen und Gemeinden auf Chancen und Risiken für Kinder im Zusammenhang mit Großveranstaltungen wie der Fußball-WM aufmerksam. Sie beteiligen sich auch an der Entwicklung von lokalen Aktionsplänen zur Förderung von Sport- und Bildungsangeboten für benachteiligte Kinder und Jugendliche.
Straßenfußball als Chance
Jugendliche aus UNICEF-Projekten in Brasilien beteiligen sich an der weltweiten Initiative „Ein Spiel, eine Vision, eine Welt“ für Straßenfußball. Höhepunkt ist das internationale Straßenfußball-Festival vom 27.-30.5.2014 in Fortaleza/Brasilien, bei dem Jugendliche und Erwachsene aus Deutschland, Indien, Chile, Kenia, Ruanda, Israel/Palästina, Brasilien, Kambodscha und Paraguay mit Vertretern aus Wissenschaft, Politik und Nichtregierungsorganisationen zusammentreffen. Die Initiative wird von einem Netzwerk von lokalen Organisationen, Schulen und Jugendeinrichtungen getragen und steht unter der Schirmherrschaft von Willi Lemke, dem UN-Sonderbeauftragten für Sport.
Spiel, Sport und Bildung für alle Kinder!
UNICEF nutzt die Weltmeisterschaft auch, um mit dem Programm „Open Doors for Inclusion“ die Situation behinderter Kinder zu verbessern. So wurden mehr als 430 Sportlehrer geschult, um Kinder mit Behinderungen in die Sportangebote der Schulen zu integrieren.
Aktuelle Studie zu Risiken und Chancen im Fußball
Im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft haben UNICEF und Partner in einer Studie die Situation von Kindern und Jugendlichen in Clubs und Trainingszentren beleuchtet. Denn Millionen Heranwachsende in Brasilien träumen von einer Profikarriere. Doch in den Strukturen und Mechanismen des Profifußballs dominieren Erfolgsdruck und ökonomische Interessen – Kinderrechte finden bislang kaum Berücksichtigung. Im Bundesstaat Bahia wurden dazu jugendliche Fußballspieler und ihre Familienmitglieder, Teilnehmer von Sportprogrammen, Fußballtrainer und Vereinsmanager, ehemalige Profi-Fußballer und Experten aus Kinderrechtsorganisationen, Sportinitiativen und staatlichen Institutionen interviewt. Die Studie identifiziert folgende Chancen und Risiken.
- Zukunftsperspektive: Fußball symbolisiert in Brasilien sozialen Aufstieg und finanziellen Erfolg. Fast jeder Jugendliche träumt von einer Karriere als Profi-Fußballer und die Eltern haben hohe Erwartungen. Aber nur ein Prozent der Nachwuchsspieler schafft es in die Profi-Liga.
- Gefährdete Schulbildung: Lange Trainingszeiten und Turniere führen dazu, dass viele Jugendliche regelmäßig den Schulunterricht verpassen. In Brasilien besteht bis zum Alter von 17 Jahren Schulpflicht, mit 16 haben Jugendliche jedoch bereits die Möglichkeit, einen Vertrag als Leistungssportler abzuschließen – mit der Folge, dass die Schulausbildung abgebrochen wird.
- Gefahr von Missbrauch und Ausbeutung: Sexuelle Belästigung bis hin zu Missbrauch sind auch im Fußballsport bekannt – das bestätigen sowohl ehemalige Spieler als auch die interviewten Erwachsenen. Die befragten Kinder und Jugendliche äußerten sich hierzu nicht. Die Vermutung liegt nahe, dass sie Angst vor Repressalien oder dem Ende ihrer Karriere haben.
- Trennung von der Familie: Ab einem Alter von zwölf Jahren können Kinder in Fußballschulen und Trainingszentren aufgenommen werden – häufig in einer anderen Stadt. Sie sehen ihre Familien manchmal nur ein- bis zweimal im Jahr. Der Agent, der sich als Mittelsmann zwischen Spieler, Club und Sponsoren um alle Belange kümmert, hat in diesen Fällen großen Einfluss auf das Leben der Kinder.
- Verletzungsgefahr: Die medizinische Betreuung der Jugendsportler ist oft nicht ausreichend. Regelmäßige Untersuchungen und umfangreiche Tests vor Beginn einer Profilaufbahn sind nicht garantiert. Durch unausgebildete Trainer erhöht sich die Verletzungsgefahr während des Trainings.
Mit dem Programm „Mein Team ist erstklassig!“ („My team is top notch“) unterstützt UNICEF Fußballvereine bei der Entwicklung von Richtlinien, die sich an den Rechten von Kindern orientieren, und schult Trainer und Manager in Kinderrechtsfragen.
Aufwachsen in Brasilien
Rund 60 Millionen Brasilianer sind jünger als 18 Jahre – Kinder und Jugendliche machen rund ein Drittel der Bevölkerung aus. Zwar gehen die meisten brasilianischen Kinder bis zu ihrem 14. Lebensjahr zur Schule. Doch sind bis heute rund 535.000 Kinder vom Unterricht ausgeschlossen – viele von ihnen haben eine dunkle Hautfarbe. UNICEF unterstützt in Brasilien landesweite Programme für Kindergesundheit, den Schutz vor HIV/Aids und ein Aufwachsen ohne Gewalt. Weitere Schwerpunkte sind Lern- und Ausbildungsprogramme für benachteiligte Kinder und Jugendliche sowie Sportprogramme. Mit Lobbyarbeit setzt sich UNICEF auch dafür ein, dass Kinderrechte Priorität in der Politik erlangen.
Service für Redaktionen
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