Elena Chernyshova, Russland/Frankreich
Russland: Von der Schule des Lebens in die Schule des Staates
Sie werden in der Kälte geboren, wachsen in Zelten auf, ziehen mit ihren Eltern auf Schlitten umher, von Rentieren gezogen: Die Kinder der Nenzen, einem der 44 indigenen Völker auf russischem Territorium, wachsen in großer Freiheit auf. Als Nomaden im äußersten Nordwesten Russlands. Weder eine Heizung noch Elektrizität kennen die Kinder; Wasser wird aus geschmolzenem Schnee gewonnen, Strom liefert zwei bis drei Stunden am Tag ein Generator.
Aber dann, wenn sie sieben Jahre alt sind, landen Helikopter, um die Nenzen-Kinder in eine zentrale Schule zu bringen. Für neun Monate jedes Jahr. Bis sie 17 sind. Das alles ist kostenfrei. Und doch ungewohnt für die Kinder, die zunächst kein Russisch sprechen und sich zwischen zwei Kulturen zu orientieren haben. Die Fotografin Elena Chernyshova hat die Kinder der Rentierzüchter in beiden Leben begleitet: in der Tundra und in der Stadt; eingepackt in Felle und beim Turnen in der Schule; unter dem großen Himmel – und unter Beobachtung der Lehrer.
Die Fotografin: Elena Chernyshova, Russland/Frankreich (Panos Pictures)
Elena Chernyshova, 1981 in Moskau geboren, hat ihr Interesse an der Fotografie während des Studiums an einer Architektur-Akademie entdeckt. Nach zweijähriger Arbeit als Architektin festigte sich ihr Entschluss, Fotografin zu werden, bei einer 1000-Tage-Fahrradtour von Toulouse durch 26 Länder bis Ostsibirien und zurück. 2011 erhielt die inzwischen in Frankreich lebende Fotografin ein Stipendium der Lagardère-Stiftung für ihr Projekt „Days of Night – Nights of Day“ über das Leben in der Nordpolar-Stadt Norilsk. Chernyshova hat unter anderem in „GEO“, „National Geographic“, „Le Monde“ und „Le Figaro“ veröffentlicht; ihre Reportage über die Nenzen-Kinder ist im „stern“ erschienen. Zu Chernyshovas Auszeichnungen gehört ein World Press Photo Award.